Freut mich auch, dass Du einen schönen Tag hattest!
Ich habe jetzt nur den Ausgangspost gelesen und die Diskussion aus diesem Jahr. Ich hoffe, ich wiederhole nicht, was schon vor fünf Jahren geschrieben wurde... Aber das Ganze erinnert mich an ein ziemlich dunkles Kapitel in meinem Leben und meinem Kampf da raus.
Ich war ja mit Mitte/Ende 20 psychisch ziemlich krank, bis hin zu Suizidgedanken. In meinem vierten Klinikaufenthalt wurde ich von dem therapeutischen Team auf links gedreht (okay, ein bisschen daran beteiligt war ich auch

) und bin als anderer Mensch wieder rausgegangen. Nun war es so, dass ich also zwei Haarnadelkurven in meinem Leben hingelegt habe: Eine, als meine teuer erkaufte Funktionalität zusammenbrach, ich mich in Therapie begeben habe und berufsunfähig berentet wurde. Und eine, als ich aus diesem vierten Klinikaufenthalt wieder rauskam mit dem Entschluss, meine Opferrolle an den Nagel zu hängen und selbstverantwortlich zu leben. Es folgten wilde Jahre, in denen ich vieles nachgeholt und wenig ausgelassen habe.

Und ich war täglich dankbar und glücklich, dass mir das möglich war.
Ich habe in beiden Haarnadelkurven ca 95% meiner Freunde verloren. In der ersten Kurve hab ich das noch verstanden. Ich war einfach plötzlich nicht mehr die Powerfrau, die nie um Hilfe bittet aber immer da ist, sondern sehr mit mir selbst beschäftigt und sehr verletzlich (um nicht zu sagen: empfindlich). Aber womit ich nie gerechnet habe war, dass ich die Freunde, die ich zum großen Teil im therapeutischen Kontext kennengelernt hatte, verlieren würde, sobald es mir gut geht. Ich dachte, die freuen sich für mich und fühlen sich hoffnungsvoll motiviert, dass es möglich ist, sich aus einer solchen Krankheit rauszuarbeiten. Aber aus dieser Zeit sind tatsächlich nur drei Freunde übrig: Mein Ex T. hat sich selbst auch rausgearbeitet aus seinem Sumpf und ist zudem total talentfrei darin, Bösartigkeiten im Subtext zu verteilen (ich glaube, das hängt mit seinem Asperger zusammen, weil er oft darauf hinweist, dass er deshalb nicht zwischen den Zeilen lesen kann), meine Freundin L. hat es etwa zur gleichen Zeit wie ich ebenfalls geschafft. Und eine andere Freundin, der es leider phasenweise immer noch sehr schlecht geht. Eine ehemalige Freundin aus Klinikzeiten hat mir damals direkt gesagt, dass sie neidisch auf mich ist. Ein anderer hat mir auf einen Brief von mir, den ich wohl eher naiv, aber im besten Glauben, Hoffnung zu spenden, geschrieben habe ("Hör nie auf zu kämpfen, es lohnt sich!"), einen bitterbösen Brief zurückgeschrieben und den Kontakt abgebrochen. Das hat mich echt bestürzt. Irgendwie bin ich plötzlich zur Nestbeschmutzerin geworden.
Das erzähle ich, weil ich denke, dass die Mechanismen bei Adipositas die gleichen sind. Vermutlich ist einiges dran an dem, was Biggi schreibt. Wird man von manchen (nicht von allen) als eine Art Verräter*in wahrgenommen, weil man das gemeinsame Leid verlässt? Und der andere den Ausweg (noch) nicht sieht? Und weil diejenigen, die es (noch) nicht geschafft haben, vor Augen geführt bekommen: Die hat was geschafft, woran ich bisher immer gescheitert bin? Vermutlich steckt hinter so viel Boshaftigkeit, Neid und der Unfähigkeit, sich mitzufreuen, ganz viel Verbitterung und Angst. Leider schaffen es nicht alle, diese Angst zu reflektieren und die Verantwortung dafür zu übernehmen. Daher ist es der Ausweg, um sich wieder Erleichterung zu verschaffen, dem anderen wo es nur geht, irgendwelche Spitzen der Missgunst zu verpassen. Das erklärt auch die Genugtuung, wenn der andere nach erfolgreicher Abnahme wieder zunimmt. Die Welt ist wieder in Ordnung, es liegt doch nicht an meinem Versagen, der/die andere hat es letztendlich ja doch nicht geschafft.
Ich sehe es daher ähnlich wie Mufflon. Ohne dieses Verhalten schönreden und bagatellisieren zu wollen: Vielleicht hilft es sich bewusst zu machen, dass das eher ein Ausdruck von Verzweiflung und Feststecken ist. Mein ehemaliger bester Freund (der leider die zweite Haarnadelkurve auch nicht gekriegt hat) hat bei irgendwelchen Anspielungen Dritter auf mich (egal welchen Themas) immer gesagt: "Der/Die meint Dich nicht. Sondern sich selbst." Mir das zu sagen hat mir oft geholfen, mich nicht persönlich getroffen zu fühlen.
Mit solchen Personen umgeben sein möchte ich freiwillig allerdings auch nicht. Das zieht zuviel Energie.