Essen und Psyche

Was fressen wir in uns hinein, wonach verzehren wir uns, was schlägt uns auf den Magen, wonach hungert und dürstet es uns, was haben wir satt? Hier geht's um Ess-Störungen.
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Masche
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Re: Essen und Psyche

Beitrag von Masche »

Gewohnheiten, sind die nicht auch etwas Psychisches - zumindest im weitesten Sinne?

Sicher, psychische Erkrankungen müssen behandelt werden, wenn es sein muss auch mit Psychopharmaka. Die machen einem das Abnehmen schwer, aber nicht unmöglich.

Psychische Erkrankung hin oder her, letztendlich sind es Gewohnheiten, die uns zu viel, zu fett oder zu süß oder - wie es bei mir der Fall war - alles zusammen essen lassen.

Wir hatten neulich Grillhähnchen von so einem mobilen Grillwagen, mein Mann und ich haben zusammen gegessen, und dabei ist mir etwas bewusst geworden, was ich eigentlich schon über die Jahrzehnte hinweg - nicht nur bei ihm, sondern auch bei anderen Schlanken - beobachtet habe. Schlanke können die gleiche Portion der gleichen Speise auf dem Teller haben, und dennoch etliche Kalorien weniger zu sich nehmen. Von meinem halben Hähnchen war wirklich nur ein Gerippe übrig, alles Essbare ist in meinem Magen gelandet. Mein Mann lässt immer sehr viel Fleisch an den Knochen, das ich dann für den Hund herunterfiesele. Ich habe es einmal just for fun gewogen, und zwar nur das Fleisch, das man als Mensch essen würde. Knorpel und das Stückchen Wirbelsäule samt einem Fitzelchen von irgend einer Innerei (ich will gar nicht so genau wissen, was das ist) habe ich nicht mit gewogen. Es waren 112 Gramm, also etwa 150 Kalorien. In meiner weitläufigen Verwandschaft gibt es genau eine weibliche Person, die ohne ihr Zutun immer schlank gewesen ist. Ich habe mir einmal einige Gelegenheiten in Erinnerung gerufen, bei denen wir das Gleiche gegessen haben. Während die Teller aller anderen von uns richtig leer gegessen wurden, hatte sie einen Teil des Kartoffelsalats oder einen halben Knödel, die meiste Soße und jedes Fitzelchen Fett, das am Fleisch war liegen gelassen. Ich habe sie angerufen und nach langem Smalltalk danach gefragt. Sie meinte, sie mache das, weil sie es einfach so gewöhnt ist. Woher die Gewohnheit kommt, konnte sie mir nicht sagen.

Ich bin das beste Beispiel dafür, dass auch was einem schmeckt und was nicht, nur Gewohnheit ist. Wenn mir vor zwei Jahren jemand gesagt hätte, dass ich eines Tages keine Süßigkeiten mehr mögen würde, ich hätte mich kaputt gelacht und/oder denjenigen für verrückt erklärt. Wie viel man trinkt und ob man Wasser trinken kann, wie schnell oder langsam man isst und ob man mit dem Essen aufhört, wenn man satt ist, ob man nebenbei bei der Arbeit isst, und last but not least, ob wir bei Frust und Stress zu etwas Essbarem, meist Süßem greifen, ist alles eine Frage der Gewohnheit.

Gewohnheiten kann man ändern, auch wenn man an einer psychischen Krankheit leidet und Psychopharmaka einnehmen muss. Ok, in diesem Fall muss man mehr Disziplin aufbringen als psychisch Gesunde, aber wenn einem das Abnehmen wirklich wichtig ist, wird man das auch können.

Gut, ich habe leicht reden, denn ich war noch nie psychisch erkrankt (als Teenager hatte ich eine Weile mal Bulimie, das hat nur meine Großmutter mitbekommen, damals kannte man den Namen und Begriffe wie "Essstörung" noch nicht und niemand wäre auf die Idee gekommen, das als psychische Erkrankung zu bezeichnen. Ich habe irgendwann von ganz alleine und ohne jegliche Hilfe damit aufgehört), aber ich kenne eine ganze Reihe von Leuten aus meiner WW Zeit, die es auch mit Psychopharmaka geschafft haben.

Man kann auch keine Gewohnheit einfach ablegen, man muss sie durch eine andere ersetzen. Das erfordert am Anfang viel Willenskraft, aber es lohnt sich. Nach einigen Wiederholungen wird die neue Verhaltensweise schon leichter und irgendwann ist sie Routine, dann fällt sie gar nicht mehr schwer. Aus dieser Routine wird früher oder später die neue, erwünschte Gewohnheit.

Denkt einmal darüber nach.
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OHvalen
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Re: Essen und Psyche

Beitrag von OHvalen »

Wahre Worte, Masche!
"Psyche" wird so gern als Ausrede für alles genommen. Aber man ist mehr als nur psychisch. Gewohnheiten ändern bedeutet, sich auch mal einen Tritt in den Arxxx zu geben. ;)
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Mrs Hudson
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Re: Essen und Psyche

Beitrag von Mrs Hudson »

Was spielt das letztendlich für eine Rolle dabei?

Behaviorismus, was Du meinst Masche, ist schon ein älteres Konzept. Da kam ich mit in Berührung als ich mir früher das Rauchen "abgewöhnen" wollte. Völlig daneben, das ist keine Gewohnheit sondern eine Sucht. Genauso wie die vielen Trinker die ja nur aus Gewohnheit trinken. ;)

Wenn wir Menschen so einfach wären.....Was ich schaffe und kann, können andere nicht. Und was andere mit Leichtigkeit beherrschen, kriege ich nicht hin.

Warum werden psychische Erkrankungen oder einfach Probleme so negativ gesehen? Sieht man die Erkrankung als Scheitern im Leben an? Warum find ich eher Zuspruch wenn ich an Krebs erkranke als wenn ich Depressionen bekomme?
Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist.(Henry Ford)
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Mufflon
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Re: Essen und Psyche

Beitrag von Mufflon »

Da bin ich bei Dir, Mrs Hudson.

Klar, es gibt Leute, die eine psychische Erkrankung wie ein Schild vor sich tragen, um nichts ändern zu müssen.
Ich kenne beide Seiten.
Jahrelang war ich depressiv und habe mich nicht aufraffen können, etwas zu unternehmen.
Erst als ich mich quasi in Lebensgefahr befand, weil meine Stresswerte so übel waren, dass mein Hausarzt Angst bekam, habe ich mich überwunden Antidepressiva zu nehmen.
Es hat 4 Jahre gedauert, bis ich ohne klarkam.
Hätte meine Familie nicht immer Druck ausgeübt der Art "reiß Dich zusammen, das ist nur in Deinem Kopf" hätte ich mir schneller Hilfe gesucht.
Nach Überwinden der akuten Depression kam dann tatsächlich der Teil mit "schlechte Angewohnheit überwinden".
Unter dem AD brauchte ich täglich meinen Mittagsschlaf, weil ich sonst den Rest des Tages handlungsunfähig war.
Danach war er nicht mehr nötig, aber ich war daran gewöhnt, ich musste da echt dran arbeiten, um mir das abzuwöhnen.

Genausoso, wie ich mir den täglichen Sport angewöhnen musste.
Das war Arbeit. Hätte ich aber akut in der schlimmsten Depriphase nie geschafft.
Mittlerweile kann ich die Phasen gut spüren und abreiten, da gehört aber viel Eigenerkenntnis dazu.
Halbling mit 1,57m, von BMI36,6 auf dem Weg ins Tal
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Fruchtfliege
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Re: Essen und Psyche

Beitrag von Fruchtfliege »

Masche hat geschrieben: Fr 13. Aug 2021, 00:44 Gewohnheiten, sind die nicht auch etwas Psychisches - zumindest im weitesten Sinne?


Alles was wir tun hat mit unserer Psyche zu tun, jede Handlung hatte eine Entscheidung, und die ist natürlich von unserer Psyche abhängig. Aber mit einer Erkrankung hat das nichts zu tun.


Sicher, psychische Erkrankungen müssen behandelt werden, wenn es sein muss auch mit Psychopharmaka. Die machen einem das Abnehmen schwer, aber nicht unmöglich.


Das kommt ganz auf das Medikament an und auf den Menschen . Es kann sehr wohl unmöglich sein. Dann ist die Frage, ob man das Medikament ersetzen kann.

Psychische Erkrankung hin oder her, letztendlich sind es Gewohnheiten, die uns zu viel, zu fett oder zu süß oder - wie es bei mir der Fall war - alles zusammen essen lassen.


Das ist nicht das, was diese Medikamente beeinflussen. Es geht dabei um die Menge. So leicht kann man es nicht abtun. Sicherlich ist es eine Gewohnheit, was man isst. Daran kann man auch drehen, solange es nicht im Sucht geht. Dann sind wir aber wieder im Bereich der Erkrankungen und nicht der Gewohnheiten, denn Krebs kann man sich ja auch nicht abgewöhnen.

Im Fall der Sucht braucht man Hilfe. So wie Medikamente etwas heilen oder zumindest stabilisieren können so kann es die Psychotherapie auch. Natürlich kann man von einer Sucht loskommen, aber nur mit Hilfe und nicht mit dem einfachen Umstellen der Gewohnheiten.


Gewohnheiten kann man ändern, auch wenn man an einer psychischen Krankheit leidet und Psychopharmaka einnehmen muss. Ok, in diesem Fall muss man mehr Disziplin aufbringen als psychisch Gesunde, aber wenn einem das Abnehmen wirklich wichtig ist, wird man das auch können.


Und genau diese Sichtweise hat bei mir sehr sehr viel Unsicherheit ausgelöst, denn es ging leider nicht so, da musste es ja an mir liegen. Nein, es lag nicht an mir, dass es nicht geklappt hat, bei vielen Dingen, nicht nur beim Essen.


Gut, ich habe leicht reden, denn ich war noch nie psychisch erkrankt


Ja.

Was das Wassertrinken betrifft: Bitte sei mir nicht böse, aber das kannst Du nicht beurteilen. Wenn Dir als Kind nach einem sexuellen Übergriff mit Gewalt der Mund ausgespült wurde immer und immer wieder, und Du kotzen musst, sobald Du Wasser trinkst, dann hat das nicht das Geringste mit Gewohnheit zu tun.

Auch wenn ich mich gerade echt verletzt gefühlt habe, weil Du das so abgetan hast, ist die Tatsache, dass Du das nicht nachvollziehen kannst tatsächlich aber etwas, was mich für Dich ehrlich freut.

Ich-kann-nicht wohnt nicht in der Ich—will-nicht-Straße!

Danke Mrs Hudson und Mufflon.
Liebe Grüße
Fruchti

:greetings-wavingblue:


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Masche
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Re: Essen und Psyche

Beitrag von Masche »

Oh weh, das wollte ich doch nicht!
:romance-caress:
Ich wollte niemandem zu nahe treten und habe auch nicht behauptet, dass das zwangsläufig für ALLE gilt.
Aber in ganz vielen Fällen ist es tatsächlich so und die wollte ich ein wenig aufrütteln.
Bitte liebe Fruchtfliege, sei mir nicht böse
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Jule
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Re: Essen und Psyche

Beitrag von Jule »

Könnten wir uns bitte darauf verständigen, solche krassen, triggernden Sachen mit Warnung in den Spoilertag zu setzen? - Ich weiß, dass es viele scheinbar harmlose Dinge gibt, die triggern können und man wird nie alle vermeiden können. Aber wenn's so explizit ist, wäre das schon besser.

***

Liebe Fruchti, es ist grauenhaft, was dir angetan worden ist. Mir fehlen die Worte.

***

Ich glaube, der Irrtum versteckt sich schon im Ausgangspost. Natürlich haben Psyche und Essen etwas miteinander zu tun. Aber Psyche ist nicht "psychische Störung" oder Erkrankung. Psyche ist u.a. das, was uns von Robotern unterscheidet, unser ganzes Fühlen, Empfinden, Wahrnehmen, individuelle Art zu denken etc. So gesehen ist die Psyche auch das, was dazu beiträgt, dass wir mit bestimmten Gerichte schöne (oder fiese) Erinnerungen verknüpft haben.
LG Jule

Do not go gentle into that good night.
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OHvalen
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Re: Essen und Psyche

Beitrag von OHvalen »

Jede hat hier wohl Recht, zu den Gewohnheiten muss man die Erfahrungen hinzufügen. Trotzdem gibt es auch Dinge, die ich nicht so stehen lassen würde.
Man kann durchaus ohne Hilfe von außen von einer Sucht loskommen. Genauso wie mit Hilfe. Man könnte höchstens sagen, man ist lebenslang süchtig, passt aber auf, nicht zu konsumieren, egal, was es ist.
Jeder hat sein Päckchen zu tragen; und wer nie die Last eines anderen geschleppt hat, weiß nicht, wie schwer sie ist. Nur: auch ein Geplagter kann irgendwann wieder sagen: "ich mache es, ich will es, womöglich kann ich es!"

Gute Besserung und viel Kraft allen Leidenden. Und den anderen: weitermachen ;) .
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Benutzer 1255 wurde gelöscht

Re: Essen und Psyche

Beitrag von Benutzer 1255 wurde gelöscht »

Jule hat geschrieben: Fr 13. Aug 2021, 13:49 Mir fehlen die Worte.
Frauen, Ihr sollt wissen, dass ich diesen Thread genau lese.
Das geht mir nah und macht viel mit mir.

Als Kerl halte ich mich mit Kommentaren selbstverständlich *extrem* zurück,
die habt Ihr von Männern schon mehr als satt bekommen.

Walter

ps. Dies Forum ist zu groß, um alles mit zu verfolgen,
meine Auswahl ist nicht nur "subjektiv", sondern zum erklecklichen Teil auch zufällig.
Hier lese ich aufmerksam mit.
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Mrs Hudson
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Re: Essen und Psyche

Beitrag von Mrs Hudson »

OHvalen hat geschrieben: Fr 13. Aug 2021, 14:47
Man kann durchaus ohne Hilfe von außen von einer Sucht loskommen. Genauso wie mit Hilfe. Man könnte höchstens sagen, man ist lebenslang süchtig, passt aber auf, nicht zu konsumieren, egal, was es ist.
Damit habe ich Schwierigkeiten, vielleicht meinst Du es anders als ich es verstehe. Es hört sich für mich so an, wie wenn man einem depressiven Menschen sagt: Du musst Dich einfach mal aufraffen, anderen geht es auch nicht besser als Dir. So ist das Leben eben. Und dem Süchtigen halt, er müsse nur wirklich wollen. Die vielen die wollen aber nicht können fallen durch das Raster. Verstehen kann ich, dass sich manche von dieser Problematik distanzieren, nur gibt es sie.
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