Sicher, psychische Erkrankungen müssen behandelt werden, wenn es sein muss auch mit Psychopharmaka. Die machen einem das Abnehmen schwer, aber nicht unmöglich.
Psychische Erkrankung hin oder her, letztendlich sind es Gewohnheiten, die uns zu viel, zu fett oder zu süß oder - wie es bei mir der Fall war - alles zusammen essen lassen.
Wir hatten neulich Grillhähnchen von so einem mobilen Grillwagen, mein Mann und ich haben zusammen gegessen, und dabei ist mir etwas bewusst geworden, was ich eigentlich schon über die Jahrzehnte hinweg - nicht nur bei ihm, sondern auch bei anderen Schlanken - beobachtet habe. Schlanke können die gleiche Portion der gleichen Speise auf dem Teller haben, und dennoch etliche Kalorien weniger zu sich nehmen. Von meinem halben Hähnchen war wirklich nur ein Gerippe übrig, alles Essbare ist in meinem Magen gelandet. Mein Mann lässt immer sehr viel Fleisch an den Knochen, das ich dann für den Hund herunterfiesele. Ich habe es einmal just for fun gewogen, und zwar nur das Fleisch, das man als Mensch essen würde. Knorpel und das Stückchen Wirbelsäule samt einem Fitzelchen von irgend einer Innerei (ich will gar nicht so genau wissen, was das ist) habe ich nicht mit gewogen. Es waren 112 Gramm, also etwa 150 Kalorien. In meiner weitläufigen Verwandschaft gibt es genau eine weibliche Person, die ohne ihr Zutun immer schlank gewesen ist. Ich habe mir einmal einige Gelegenheiten in Erinnerung gerufen, bei denen wir das Gleiche gegessen haben. Während die Teller aller anderen von uns richtig leer gegessen wurden, hatte sie einen Teil des Kartoffelsalats oder einen halben Knödel, die meiste Soße und jedes Fitzelchen Fett, das am Fleisch war liegen gelassen. Ich habe sie angerufen und nach langem Smalltalk danach gefragt. Sie meinte, sie mache das, weil sie es einfach so gewöhnt ist. Woher die Gewohnheit kommt, konnte sie mir nicht sagen.
Ich bin das beste Beispiel dafür, dass auch was einem schmeckt und was nicht, nur Gewohnheit ist. Wenn mir vor zwei Jahren jemand gesagt hätte, dass ich eines Tages keine Süßigkeiten mehr mögen würde, ich hätte mich kaputt gelacht und/oder denjenigen für verrückt erklärt. Wie viel man trinkt und ob man Wasser trinken kann, wie schnell oder langsam man isst und ob man mit dem Essen aufhört, wenn man satt ist, ob man nebenbei bei der Arbeit isst, und last but not least, ob wir bei Frust und Stress zu etwas Essbarem, meist Süßem greifen, ist alles eine Frage der Gewohnheit.
Gewohnheiten kann man ändern, auch wenn man an einer psychischen Krankheit leidet und Psychopharmaka einnehmen muss. Ok, in diesem Fall muss man mehr Disziplin aufbringen als psychisch Gesunde, aber wenn einem das Abnehmen wirklich wichtig ist, wird man das auch können.
Gut, ich habe leicht reden, denn ich war noch nie psychisch erkrankt (als Teenager hatte ich eine Weile mal Bulimie, das hat nur meine Großmutter mitbekommen, damals kannte man den Namen und Begriffe wie "Essstörung" noch nicht und niemand wäre auf die Idee gekommen, das als psychische Erkrankung zu bezeichnen. Ich habe irgendwann von ganz alleine und ohne jegliche Hilfe damit aufgehört), aber ich kenne eine ganze Reihe von Leuten aus meiner WW Zeit, die es auch mit Psychopharmaka geschafft haben.
Man kann auch keine Gewohnheit einfach ablegen, man muss sie durch eine andere ersetzen. Das erfordert am Anfang viel Willenskraft, aber es lohnt sich. Nach einigen Wiederholungen wird die neue Verhaltensweise schon leichter und irgendwann ist sie Routine, dann fällt sie gar nicht mehr schwer. Aus dieser Routine wird früher oder später die neue, erwünschte Gewohnheit.
Denkt einmal darüber nach.
